Rückmeldung und Anerkennung – Faktoren der Gesundheit

Wenn man Menschen die Frage stellt, ob Sie ihrer Meinung nach genug Anerkennung bekommen für das, was sie so privat und beruflich leisten, so hört man mehrheitlich, dass da durchaus ein Defizit erlebt wird. Fragt man andererseits, ob sie selber anderen denn genug Anerkennung zuteil lassen würden, so sehen die meisten bei sich allerdings nur selten Versäumnisse. Es scheint so, dass allgemein eher nach der Devise „Nicht geschimpft ist genug gelobt“ verfahren wird.

Tatsache ist, dass das Thema Anerkennung gerade im beruflichen Bereich auch zentral für die Entwicklung von psychischen Störungen ist, wie es sich zum Beispiel im Modell der „Gratifikationskrise“ von J. Siegrist abbildet. Wenn eine dauerhafte (subjektive) Diskrepanz zwischen dem Ausmaß besteht, wie sich ein Mensch verausgabt und dem, was er dafür an Entschädigung erhält, so resultieren daraus nicht nur eine verständliche Unzufriedenheit, sondern auch ein erhöhtes Risiko, körperlich oder psychisch zu erkranken.

Anerkennung kann man nun auf verschiedenen Ebenen betrachten. Übergeordnet spielen natürlich das Gehalt, der soziale Status und Prestige eine wesentliche Rolle. Im konkreten Alltag – und dies ist für das subjektive Befinden mindestens ebenso entscheidend – stellt sich die Frage, ob und in welcher Form man eine Rückmeldung über die eigene Leistung erhält. Es gibt zwar Menschen, die über die beneidenswerte Eigenschaft verfügen, sich von den Meinungen und Rückmeldungen anderer weitgehend freimachen zu können und sich selber die nötige Anerkennung zu geben, für die meisten gilt aber, dass der „soziale Spiegel“ wesentlich ist, um sich und seinen Wert selber einschätzen zu können. Bezogen auf die Grundbedürfnisse (s. HPC-Newsletter 04- 2011) zielt dieser Aspekt direkt auf zwei wesentliche Säulen der menschlichen Psyche.

Rückmeldungen sind wesentlich um Kontrolle und Orientierung zu erfahren

Zum einen sind Rückmeldungen nötig, um das Bedürfnis nach Kontrolle und Orientierung zu stillen. Menschen wollen wissen, wo sie stehen, was mit Ihnen passiert und erfahren, welchen Einfluss ihre Handlungen auf die Umwelt haben und dazu brauchen sie Rückmeldungen. Natürlich ist es angenehmer, wenn diese in positiver Form als Lob, bzw. als Erfolg erfolgt, aber auch (konstruktive) Kritik ist in dieser Hinsicht genauso wichtig und stellt im weiteren Sinn auch eine Form der Anerkennung dar – zumindest wird das eigene Handeln erkannt. In der Psychologie findet sich das Thema „Kontrolle“ in verschiedenen Konstrukten und Theorien wieder, ein für die Erklärung von Depressionen wichtiger Aspekt ist die sog. „erlernte Hilflosigkeit“. Ein interessantes, wenn auch nicht sehr schönes Tierexperiment (das man heutzutage hoffentlich nicht mehr wiederholen würde) illustriert, worum es dabei geht:

Erlernte Hilflosigkeit

In einer großen Box, die durch eine Hürde zweigeteilt war, konnte man beide Seiten des Gitterbodens getrennt voneinander unter Strom setzen. Nun nahm man einen Hund und setzte ihn in diese Box und als man ihm leichte Stromstöße versetzte, sprang er auf die andere Seite. Wurde dort Strom appliziert, sprang er wieder zurück. Als man nun beide Seiten unter Strom setzte, sprang der Hund eine gewisse Zeit hin und her und fügte sich schließlich in seine Machtlosigkeit und verblieb auf seiner Seite. Was passierte, als man dann nach einiger Zeit nur noch eine Seite unter Strom setzte? Er sprang eben nicht mehr und blieb in der aversiven Situation, weil er nicht mehr erwartete, Kontrolle ausüben zu können.

Natürlich ist es immer mit Vorbehalten zu sehen, Tierexperimente auf Menschen zu übertragen, aber die Analogie ist naheliegend: Menschen, die über lange Zeit das Gefühl haben, keine Kontrolle über Ihre Umwelt ausüben zu können, verlieren auch die Erwartung, dieses in der Zukunft zu können und geben entsprechend alle Versuche auf, etwas an der Situation zu ändern.

Rückmeldungen wirken sich auch unmittelbar auf das Selbstwerterleben eines Menschen aus

Ein weiteres Grundbedürfnis, das unmittelbar von Rückmeldungen und Anerkennung abhängt ist das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz. Das Gefühl, wertvoll zu sein, entwickelt sich im Lauf des Lebens durch die Erfahrung, die Menschen mit ihrer Umwelt machen und ist im Kindesalter zunächst völlig abhängig davon, wie die Umwelt auf einen reagiert. Mit dem Älterwerden entwickeln Menschen in unterschiedlichem Maß die Fähigkeit, sich selbst zu „verstärken“, also ihr Selbstwerterleben unabhängiger von Umwelteinflüssen zu machen. Idealerweise lernt man, dass nicht jede ausbleibende Bestätigung und nicht jede Kritik auch direkt ein globaler Angriff auf den Wert der eigenen Person ist und schafft es besser, sich zu distanzieren. Gleichwohl: eine völlige „Autarkie“ erlangen wohl, wie oben erwähnt, die wenigsten. Als soziale Wesen zehren wir davon, dass uns andere auch wertvoll finden und es auch zeigen. Auf der anderen Seite macht dieses aber auch verständlich, warum die meisten Menschen es schwierig finden, Kritik zu geben und zu nehmen: stets schwingt die Sorge mit, jemanden zu verletzen oder selber verletzt zu werden. Sind aber erst einmal Gefühle ernsthaft verletzt, dann stehen diese im Mittelpunkt und nicht mehr das Verhalten, um das es eigentlich ursprünglich ging.

Kein Lernen ohne Rückmeldungen

Auch aus dem Bereich der Lernpsychologie ergeben sich noch einige Aspekte auf positive und negative Rückmeldungen. Um überhaupt lernen zu können, brauchen Menschen eine Rückmeldung über ein neues Verhalten und diese muss inhaltlich und zeitlich auch als direkte Konsequenz des Verhaltens erkennbar sein. Natürlich werden Verhaltensweisen, die positive Konsequenzen zeitigen, mit höherer Wahrscheinlichkeit wiederholt, als solche, denen keine oder sogar negative Konsequenzen folgen. Das nennt man „Lernen am Erfolg“ oder auch „operantes Konditionieren“.

Es zeigt sich nun, dass ein Verhalten viel besser und nachhaltiger durch Belohnung (sog. positive Verstärkung) aufgebaut wird, während Bestrafung nur einen kurzfristigen Effekt hat und auch nur solange verhaltenswirksam ist, wie die Strafandrohung auch im Raum steht. Erfolge und positive Rückmeldungen führen dazu, dass bestimmte Verhaltensweisen langfristig verankert und verinnerlicht werden, während die Angst vor negativen Konsequenzen dazu führt, dass ein bestimmtes Verhalten unterlassen wird, aber meist nicht verrät, welches Verhalten man denn anstelle dessen zeigen soll. Dieses hängt auch direkt mit unterschiedlichen Formen der Motivation zusammen. Wenn man einen Zustand als unangenehm erlebt, weiß man, dass man weg will – aber nicht zwingend wohin. Einer solchen „Druckmotivation“ steht nun eine „Zugmotivation“ entgegen: gibt es ein positives Ziel, so hat die Energie direkt eine klare Richtung.

Rückmeldung geben und nehmen

Natürlich ist das Thema überaus vielschichtig und es ließen sich noch etliche Seiten füllen, wir wollen an dieser Stelle aber mit ein paar kurzen Tipps abschließen.

  • Spenden Sie explizit Anerkennung und Lob und setzen Sie nicht voraus, dass der andere schon weiß, dass Sie ihn und seine Arbeit schätzen!

Eine Faustregel besagt, dass das Verhältnis von Lob zu negativer Kritik in etwa 3:1 betragen sollte – denn es ist doch wohl hoffentlich realistisch, dass Menschen wesentlich häufiger Dinge gut erledigen, als dass sie Fehler machen. Überdenken Sie mal, wie sehr es Sie selber beflügelt, wenn man Ihnen Anerkennung zollt und nutzen Sie die Gelegenheit, anderen Menschen gute Gefühle zu geben.

  • Loben Sie nur, wenn Sie es ernst meinen und nicht nach dem Gießkannenprinzip!

Natürlich sollte man nicht um des Lobes willen loben und, weil man denkt, es sei mal wieder an der Zeit, Banales oder Selbstverständliches hervorheben („Sie kommen ja immer pünktlich zur Arbeit!“) – das kann nur kontraproduktiv sein. Achten Sie auf die Stärken ihrer Mitmenschen und melden Sie ihnen diese zurück – und zwar so, wie es zu Ihnen passt, so dass auch klar transportiert wird, dass Sie es echt meinen.

  • Geben Sie Rückmeldungen zeitnah und konkret, beziehen Sie sich auf beobachtbares Verhalten, trennen Sie zwischen Beschreiben und Bewerten!

Vermeiden Sie Verallgemeinerungen! Positive, aber insbesondere negative Rückmeldungen sollten sich auf konkretes Verhalten beziehen und nicht auf übergeordnete Eigenschaften. Zunächst sollte man eine Wahrnehmung möglichst objektiv beschreiben und diese erst in einem zweiten Schritt bewerten. Bestenfalls erreicht man dadurch, dass man sich zumindest über den Gegenstand der Rückmeldung schon mal einig ist und macht es dem Empfänger der Rückmeldung leichter, die Bewertung zu akzeptieren. Wichtig: achten Sie darauf, Wörter wie „immer“ oder „dauernd“ zu vermeiden – das kränkt und lenkt nur von der konkreten Situation ab.

  • Vermeiden Sie „Du-Botschaften“, sagen Sie „Ich“. Achten Sie auf das Selbstwertgefühl ihres Gegenübers.

Der Effekt von „Du-“ und „Ich-Botschaften“ spielt in jeder Kommunikation eine Rolle: Sobald man einem anderen Menschen auf den Kopf zusagt „Du bist… (unordentlich, faul, geschwätzig,..)“ führt dieses, gerade bei negativen Rückmeldungen, sofort zu Widerstand. Niemand lässt sich gerne fremdbeurteilen und entsprechend reagieren Menschen verletzt. Betont man hingegen die eigene Sichtweise und eigene Gefühle („Mich stört die Unordnung hier“, „Ich glaube, dass man das anders machen sollte“), baut man eine Gesprächsbrücke. Ein Grundsatz: eigene Gefühle oder Meinungen mögen auf einer unvollständigen oder anderen Wahrnehmung eines Sachverhalts beruhen – ihre Existenz und ihre Berechtigung kann man aber nicht einfach ignorieren, sondern muss sie respektieren und aufgreifen.

Kontakt
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner