Historie von Burnout – jahrelange Kontroversen und zum Teil plakative Debatten
Der Begriff „Burnout“ wurde erstmalig von dem Psychoanalytiker Herbert Freudenberger verwendet. Er beschrieb Burnout als „das Nachlassen bzw. Schwinden von Kräften oder Erschöpfung durch übermäßige Beanspruchung der eigenen Energie, Kräfte oder Ressourcen“ (Freudenberger, 1974). Es etablierte sich die Vorstellung eines Syndroms, das sich plausibel aus den zunehmenden Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft und einer immer stärkeren Beschleunigung unseres Lebens ableitet.
Zunächst lag der Fokus auf Beschäftigte in sozialen Berufen, wie Krankenschwestern und Ärzten, bei denen eine besonders starke Diskrepanz zwischen einem idealistisch beflügelten hohen Engagement auf der einen Seite und oft ausbleibenden „Erfolgen“ auf der anderen Seite zu beobachten ist. Wenn Ziele nicht oder nicht ausreichend erreicht werden, kann dieses Gründe in den Denk- und Verhaltensweisen eines Einzelnen oder auf der Seite der Arbeitsanforderungen haben. Entscheidend ist aber vor allem die subjektive Einschätzung, anhaltend zu „scheitern“. Damit verbunden sind anhaltende emotionale Belastungen, die im Verlauf zu einer tiefen Erschöpfung führen können.
Im Laufe der folgenden Jahrzehnte gewann der Begriff eine hohe Breitenwirkung und wurde und wird gerne herangezogen, wenn es gilt, einen Zusammenhang zwischen einer hohen Stressbelastung und der Entwicklung von Beschwerden zu beschreiben. Es resultierten eine Vielzahl von unterschiedlichen Definitionen, Umschreibungen, Symptomlisten und Messinstrumenten zu Burnout, ohne dass sich auf eine eindeutige Definition geeinigt werden konnte.
Mit den zum Teil sehr tragischen prominenten Erkrankungsfällen (z. B. Tim Mälzer, Robert Enke, Sven Hannawald, Ralf Rangnick) erfuhr der Begriff Burnout in den letzten 15 Jahren einen enormen medialen Hype, der allerdings das Phänomen mehr verzerrte als zur Transparenz beitrug (z. B. Talkshow „Burnout – Modekrankheit oder echte Seuche?“). Allerdings hat diese Entwicklung in einem positiven Sinne auch dazu geführt, dass heutzutage unverkrampfter und offener über psychische Fehlbeanspruchungen und Erkrankungen gesprochen werden kann. Ebenfalls ist dadurch die Problematik, stigmatisiert zu werden, zwar nicht beseitigt, aber zumindest gemildert worden. Und letztendlich wurde sich dadurch vermehrt mit der Frage beschäftigt, wie Gesundheit und Arbeit am besten unter einen Hut zu kriegen sind.
Wegen der medialen Präsenz und den teilweise sehr plakativen Debatten um das Burnoutsyndrom veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) 2012 ein Positionspapier, in dem sie betonte, dass Burnout keine eigenständige Erkrankung sei, sondern ein Risikozustand aufgrund von längerfristiger Arbeitsüberlastung, der in eine psychische oder somatische Erkrankung führen könne, wie zum Beispiel Depression, Angststörungen oder auch Tinnitus und Bluthochdruck. Gleichzeitig wies die DGPPN in dem Positionspapier darauf hin, dass vermeintliche Burnout-Symptome Frühanzeichen oder auch Folgen von ernsthaften Erkrankungen wie z. B. Psychosen, Multiple Sklerose und Tumorerkrankungen sein könnten, weswegen eine genaue medizinische Diagnostik erfolgen müsse, bevor von Burnout geredet werden könne. Das waren deutliche Worte, die allerdings die öffentliche Kontroverse wenig beeinflussten.
Burnout wird zwar in der derzeit noch gültigen ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) aufgeführt, allerdings nicht als eigenständige Krankheit, sondern als sogenannte Zusatzkodierung unter „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“. In dem Unterabsatz „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ wird Burnout unter der Ziffer Z73 aufgelistet und mit „Ausgebranntsein“ übersetzt.
Burnout aktuell – mehr Klarheit durch ICD-11
Im Mai 2019 hat die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization; WHO) entschieden, Burnout als Syndrom explizit in die ICD-11 aufzunehmen, und zwar weiterhin bei den Zusatzfaktoren, allerdings klarer definiert. Ab Januar 2022 wird die neue ICD-11 in Kraft treten. Es ist zu erwarten, dass dieses auch erkennbare Folgen für die Arbeitswelt und Prozesse des betrieblichen Gesundheitsmanagements haben wird.
Burnout wird in der ICD-11 als Syndrom aufgrund von „chronischem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann“ definiert.
Gekennzeichnet ist Burnout durch 3 Dimensionen:
- Gefühle von Energieschwund und Erschöpfung
- erhöhte mentale Distanz zur Arbeit oder Gefühle von Negativismus oder Zynismus in Bezug auf die Arbeit
- ein Gefühl der Ineffektivität und des Mangels an Leistungsgesellschaft
Burnout bezieht sich speziell auf Phänomene im beruflichen Kontext und sollte nicht zur Beschreibung von Erfahrungen in anderen Lebensbereichen verwendet werden.
Wenn also von einem Behandler diese Zusatzkodierung verwandt wird, wird damit ein klarer Zusammenhang zwischen beruflichen Belastungen und Beschwerden hergestellt, was bislang nicht so eindeutig möglich war. Damit werden zuverlässigere Daten ermöglicht, die ein klareres Bild davon geben, wie berufliche Beanspruchungen das Gesundheitsgeschehen von Arbeitnehmern beeinflussen – immer vorausgesetzt, dass zutreffend diagnostiziert wird.
Damit dürfte den betrieblichen Maßnahmen zur Burnout-Prävention in Zukunft noch eine größere Relevanz zuteilwerden – und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitsplatz im Homeoffice und/oder im Büro ist.
Was können Unternehmen tun?
Die betrieblichen Maßnahmen zur Vorbeugung von Burnout unterscheiden sich nicht von denen, die auch in der Primärprävention anderer psychischer Beschwerden am Arbeitsplatz eingesetzt werden. Mit der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, die seit 2013 gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 5 ArbSchG), kann dabei schon ein wesentlicher Beitrag zur Burnout-Vorbeugung geleistet werden.
Es sollte klar sein, dass „chronischer Stress“, wie er einem Burnout-Prozess zugrunde liegt, stets auf einer Wechselwirkung zwischen einem Individuum und der sie umgebenden Arbeitsumwelt beruht. So wenig man klare „Grenzwerte“ für berufliche Anforderungen definieren kann, deren Überschreiten in allen Fällen zu einer psychischen Erkrankung führen würde, so wenig lassen sich eindeutige individuelle Merkmale definieren, die hier unabhängig von dem Ausmaß der Anforderungen zu einer Überbeanspruchung führen würden. Es gilt, beide Seiten in ihrem Zusammenspiel im Auge zu behalten und Prävention sowohl auf der Verhältnis-, als auch auf der Verhaltensebene zu betreiben.
Achtung, wegen mancher fälschlichen Meldung in den Medien: Burnout ist immer noch keine Krankheit, sondern ein Syndrom und ein ernst zu nehmender Risikozustand, der in schwerwiegende Erkrankungen führen kann!