Angststörungen

Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen – Schätzungen gehen dahin, dass ca. 10% der Allgemeinbevölkerung betroffen sind. Verstanden wird darunter eine Gruppe von Störungen, denen gemein ist, dass ein grundsätzlich sinnvoller Überlebensmechanismus in dem Maße ausufert, dass eine starke Beeinträchtigung für die Betroffenen entsteht. Evolutionär betrachtet, lässt sich Angst als die Fähigkeit beschreiben, bedrohlich empfundenen Situationen und Objekten auszuweichen (N. Peseschkian). Sie ist nicht nur ein wichtiges Warnsignal, die starke physiologische Aktivierung, die biologische Stressreaktion, die mit der Angst verbunden ist, hilft uns, in Gefahrensituationen instinktiv und schnell zu handeln (Angst verleiht Flügel!), sprich, zu fliehen oder, wenn es sein muss, auch zu kämpfen.

Wann liegt eine Störung vor und welche Symptome treten auf?

Eine Störung liegt dann vor, wenn die Angstreaktion der jeweiligen Situation objektiv nicht angemessen ist und wenn sie zu einer starken Beeinträchtigung der Betroffenen führt. Hier zeigt sich, dass es nicht ganz leicht ist, den Störungsbegriff zu objektiveren – letztlich spielt die individuelle Einschätzung und die jeweilige Lebenssituation der Betroffenen eine wesentliche Rolle.

Bezüglich der Symptomatik von Angststörungen sind zuerst die Zeichen einer starken vegetativen Erregung zu nennen, z.B. Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Übelkeit, Atemnot, Beklemmungsgefühle – alles Zeichen, dass der Körper auf Hochtouren arbeitet. Hinzu kommen gedankliche/kognitive Aspekte, wie die Angst, die Kontrolle zu verlieren, verrückt zu werden oder zu sterben. Oft stellt auch die „Angst vor der Angst“, also die angstvolle Erwartung bestimmter Situationen oder der eigenen Reaktion, eine wesentliche Beeinträchtigung (und auch einen aufrechterhaltenden Faktor) dar, wie eben auch die anhaltende gedankliche Fixierung auf diese Situationen/Reaktionen und die Versuche, diese möglichst konsequent zu vermeiden.

Welche einzelnen Angststörungen gibt es?

Die Diagnosesysteme ICD-10 und DSM-IV beschreiben verschiedene einzelne Angststörungen:

Spezifische Phobien

Bei dieser Angststörung werden die Angstsysmptome durch eine Konfrontation mit spezifischen Objekten oder Situationen ausgelöst. Dieses können beispielsweise Spinnen, Schlangen, Höhe oder auch der Anblick von Blut sein. Wesentlich ist, dass diese Situationen/Objekte – wann immer möglich – gemieden werden, dass die Angst von den Betroffenen selber als unangemessen und unbegründet erkannt wird und die Lebensführung beeinträchtigt, bzw. starkes Leiden verursacht. Subklinisch sind solche Ängste sehr häufig, zuumeist aber nicht ausreichend für eine solche Diagnose, letztlich, weil es den meisten Betroffenen eben sehr gut gelingt, solche Situationen ohne größere Probleme zu vermeiden.

Agoraphobie

Die „Agora“ bezeichnete im antiken Griechenland den zentralen Marktplatz, also das öffentliche Zentrum einer Stadt. Die Agoraphobie beschreibt somit die Angst vor verschiedenen öffentlichen Orten und Situationen, wo ein Rückzug oder „eine Flucht“ schwierig oder „peinlich“ wäre, wie z.B in einem vollbesetzten Kino oder in einem Kaufhaus. Generell Menschenmengen oder Reisen können die Angstsymptome auch auslösen. Patienten berichten, dass sie sich in diesen Situationen plötzlich, „wie gefangen“ fühlen. Da sehr häufig von den Betroffenen an solchen Orten einmal oder mehrfach Panikattacken erlebt wurden, spielt bei der Angst auch eine Rolle, dass die Betroffenen befürchten, dass eine Hilfe nicht schnell genug erreichbar sein könnte. Die Vermeidung solcher Situationen, die in starkem Maße für die Aufrechterhaltung und die Ausweitung solcher Situationen verantwortlich ist, kann soweit gehen, dass Betroffene ihre Wohnung oder den Bereich, den sie als „sicher“ empfinden, gar nicht mehr verlassen.

Panikstörung

Von einer Panikstörung spricht man, wenn die Betroffenen unter plötzlichen Angstattacken leiden, die nicht durch spezifische Situationen oder Objekte ausgelöst werden. Diese Panikattacken treten unerwartet auf und erreichen zumeist innerhalb von 10 Minuten ihren Höhepunkt. Die Angstsymptome schaukeln sich dabei zumeist teufelskreisartig hoch, von zunächst „leichteren“ Symptomen wie Kribbeln, Beklemmungsgefühlen oder Herzkklopfen zu massivem Herzrasen, Zittern oder auch Schwindel oder Hitzewallungen. Die Betroffenen erleben dabei zumeist Todesangst, befürchten zu sterben oder vollends die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden, wobei insbesondere die inhaltlichen Befürchtungen und die massive Selbstbeobachtung zu der Aufschaukelung und der Aufrechterhaltung beitragen. Zu ergänzen ist, dass Panikattacken im Rahmen fast aller Angststörungen auftreten können, aber auch, dass man davon ausgeht, dass der Großteil aller Menschen im Laufe ihres Lebens vereinzelt solche Attacken erlebt, ohne dass sich eine entsprechende Störung entwickelt.

Soziale Phobien

Bei dieser Art von Ängsten stehen Angstreaktionen und die deutliche Vermeidung einzelner oder mehrerer sozialer Situationen im Mittelpunkt. Dabei kann es sich um Leistungssituationen, wie Referate oder Präsentationen, die Konfrontation mit unbekannten Personen, insbesondere des anderen Geschlechts, oder auch potentielle Konfliktsituationen handeln, in denen man sich behaupten muss. Im Mittelpunkt steht die Angst, sich zu blamieren oder negativ beurteilt zu werden. Dabei führt vor allem die geistige Vorwegnahme solcher Situationen („Angst vor der Angst“) oft dazu, dass sich massive körperliche Stresssymptome entwickeln, die dann in den Situationen -wenn sie denn nicht komplett vermieden werden, was meist der Fall ist – tatsächlich zu einem „unsicheren“ Verhalten führen. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung also, durch die sich die Betroffenen dann wieder in ihrem meist negativen Selbstbild bestätigt sehen. Wie bei vielen psychischen Störungen stehen dabei den Betroffenen überzogene Ansprüche an sich selbst (z.B. „Ich muss immer selbstsicher wirken“) und Erwartungen an andere („Alle müssen nett zu mir sein“) im Weg. Die Übergänge von einer „normalen“ Schüchternheit oder Unsicherheit zu einer sozialen Phobie sind letztlich fließend, wobei man allerdings den erheblichen Leidensdruck und die oft immensen beruflichen und sozialen Beeinträchtigungen, die sich aus einer kontinuierlichen Vermeidung ergeben, als einen Maßstab nehmen kann.

Generalisierte Angststörung

Dieses Störungsbild wird auch als „frei flottierende Angst“ beschrieben – die Angst resultiert nicht aus bestimmten Umgebungsbedingungen, zentral sind vielmehr anhaltende Sorgen und Befürchtungen, deren Inhalte sich auf verschiedene alltägliche Ereignisse und Probleme beziehen können, oder aber auch auf mögliche Unglücksfälle oder Katastrophen, die einen selbst oder geliebte Mitmenschen ereilen könnten. Diese andauernden Gedanken und die Schwierigkeit abzuschalten oder sich zu konzentrieren rufen teufelskreisartig noch die zusätzliche Sorge hervor, verrückt zu werden. Markant sind v.a. auch körperliche Missempfindungen und Anspannungszustände, die aus dem kontinuierlichen Stresszustand resultieren. Neben z.B. Schlafstörungen oder Reizbarkeit, können auch Kopf- oder Magenschmerzen und Übelkeit entstehen, so dass es nicht verwundert, dass ein relativ hoher Prozentsatz (eine Studie ermittelte 8,5%) der Patienten, die sich hausärztlich wegen diffuser körperlicher Beschwerden vorstellen, eigentlich unter einer generalisierten Angststörung leidet

Selbstverständlich gibt es zahllose Aspekte zu Entstehung und Behandlung von Angststörungen, die man in der Kürze nicht ausführen kann. Wenn Sie konkrete Fragen zu diesem Themenkomplex haben, könnnen Sie uns gerne ansprechen.

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