Emotionale Kompetenz – warum Gefühle wichtig sind und wie man „richtig“ damit umgeht

Im vorangegangenen Infobrief (01-2019) hatten wir den Aspekt angerissen, warum viele Menschen Angst davor haben, Gefühle zu zeigen, hier wollen wir noch einmal beleuchten, welche Aspekte für einen gesunden und erfolgreichen Umgang mit Gefühlen wichtig sind.

Emotionen und Gefühle sind die grundlegenden Determinanten unseres Erlebens und Verhaltens. Sie bestimmen, ob wir die Dinge, die uns wiederfahren, bedeutsam finden – sei es gut oder schlecht. Sie sind damit ausschlaggebend für unsere Motivation, indem sie quasi als Triebfeder die Energie liefern (Emotion), uns auf unsere Ziele und Bedürfnisse hinzubewegen – oder uns zumindest von Dingen, die wir „nicht gut“ finden, wegzubewegen. Will man wissen, was einem wirklich wichtig ist, was einen zentralen Wert darstellt, so kann man diese Frage am besten dadurch beantworten, indem man seinen Gefühlen folgt und nachspürt, was einem inneren Bedürfnis entspricht oder wodurch es verletzt wird.

In dem Sinne sind Emotionen auch wesentlich dafür, dass wir überhaupt lernen können, nämlich indem wir von Geburt an das Prinzip verfolgen, negative emotionale Konsequenzen (Bestrafung) zu vermeiden und positive emotionale Konsequenzen (Belohnung) anzustreben. So gesehen sind Emotionen basal notwendig, dass wir überhaupt zielgerichtetes Verhalten aufbauen.

Emotionen gehen stets mit einer physiologischen Veränderung einher, die dem Menschen helfen, sich bestmöglich an die Umwelt anzupassen. Als Reaktion auf eine potentiell bedrohliche Situation wird der Körper aktiviert und zum Kämpfen und Fliehen „bereitgestellt“. Das läuft unbewusst ab und vor allem schneller, als wir denken können. Zum Beispiel, wenn es laut knallt, reagiert der Körper unmittelbar mit einer Aktivierung: der Kreislauf wird aktiviert, die Muskeln gespannt, man wendet sich so schnell man kann der Schallquelle zu. Sprich: Man erschrickt, ohne aber wirklich zu wissen, warum. Um das zu analysieren brauchen unsere Neuronen etwas länger und bis dahin hat unser Organismus schon mal für alle Fälle alles für eine saubere Flucht vorbereitet.

Emotionen beeinflussen entscheidend die Wahrnehmung und das Denken und vor allem auch unsere Entscheidungen. Das wird jedem klar, der beispielsweise schon einmal hungrig einkaufen war und sich den Einkaufswagen übermäßig gefüllt hat. Mechanismen der Werbung sind darauf angelegt, positive Emotionen zu wecken, die unsere Entscheidungen entsprechend steuern sollen.

Emotionen haben weiterhin eine zentrale soziale Funktion. Der Erfolg einer Kommunikation hängt maßgeblich davon ab, wie Emotionen ausgedrückt werden, insbesondere auch nonverbal, und wie gut man in der Lage ist, diese bei anderen zu erkennen. Nur wenn man sein Innerstes verständlich macht, kann man auch verstanden werden!

Soweit zu den wichtigen Funktionen von Emotionen und Gefühlen. Will man nun die „emotionale Kompetenz“, die Fähigkeit mit eigenen und fremden Gefühlen umgehen zu können, besser verstehen, ist es hilfreich, zwischen den Begriffen „Emotion“ und „Gefühl“ zu differenzieren, auch wenn wir sie oft synonym verwenden. Natürlich gibt es unterschiedliche Definitionen dieser Begriffe, hier gehen wir mal von Folgendem aus: Wenn Emotion die gesamte psychophysiologische Reaktion auf einen Reiz darstellt, die meist unbewusst abläuft, so ist ein Gefühl die bewusste und gedankliche Erfahrung und Bewertung dieses Erlebens.

Was man in einer konkreten Situation fühlt, hängt von den Umständen und den zu erwartenden Auswirkungen der Situation ab. So ist das Gefühl in einer Achterbahn zu sitzen ein anderes, als wenn im Auto bei Tempo 160 die Bremse versagt. Beides wird maßgeblich von der Basisemotion „Furcht/Angst“ gespeist, aber im Wissen um den Kontext ganz anders bewertet.

Gefühle benennen und differenzieren zu können, zwischen Unruhe, Besorgnis, Furcht und Panik unterscheiden zu können, zu verstehen, was mit „hoffnungsvoll“ oder „schadenfroh“ wirklich gemeint ist, hängt in starkem Maße davon ab, wie in der Entwicklung und in der Erziehung Wert daraufgelegt wurde, dass man lernt, sich auszudrücken.

Das Erkennen eigener Emotionen, die Fähigkeit, Gefühle bei sich selbst wahrnehmen und verstehen zu können, ist somit ein wesentlicher Grundpfeiler der emotionalen Kompetenz.

Genauso wichtig ist aber, wie sehr man in der Lage ist, Emotionen bei anderen zu erkennen: Aus den Äußerungen des Gegenübers, seiner Mimik und Gestik in einer bestimmten Situation ein zutreffendes Urteil über seinen emotionalen Zustand zu fällen, ist eine Fähigkeit, die Menschen nicht von der Geburt an mitgegeben wurde, sondern die gelernt und geübt werden muss. Nicht selten passiert es, dass Menschen voreilig bestimmte Merkmale überbewerten, eigene Emotionen in den anderen „hineinprojizieren“, kurz, sich zu voreilig ein Bild machen, das nicht zutrifft und dem anderen nicht gerecht wird. Einem anderen Menschen Gefühle zuzuschreiben, die der gar nicht hat, ist aber oft ein trefflicher Beginn für einen heftigen Konflikt.

Zentral für einen kompetenten Umgang mit Gefühlen ist aber auch die Frage, wie gut es einem gelingt, eigene Gefühle zu regulieren und zu kontrollieren. Seine Emotionen zu regulieren ist eine Grundvoraussetzung des menschlichen Miteinanders. Diese Fähigkeit setzt voraus, dass man früh lernt, die „körperlichen Wallungen“ (Emotionen) als Gefühl zu verstehen, sie in den passenden Zusammenhang einzufügen und allmählich lernt, sie „angemessen“ zu äußern. In der Regel gelingt das dadurch, dass man als Kind die Erfahrung macht, nicht zurückgestoßen zu werden, wenn man Gefühle äußert, sondern dabei und dadurch verstanden und unterstützt wird, die „schlechten“ Gefühle zu bewältigen und die „guten“ zu genießen. Hier sind auch Frustrationstoleranz und die Impulskontrolle entscheidend: Schlechte Gefühle auszuhalten ohne sich von ihnen überschwemmen zu lassen und Impulse zu kontrollieren, die einem kurzfristig Vorteile bringen, aber langfristig zum Nachteil gereichen, ist entscheidend dafür, das Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.

Ein gerade für Führungskräfte zentraler Aspekt der emotionalen Kompetenz ist dabei aber auch die Frage, wie gut es einem gelingt, die Gefühle anderer nicht nur wahrzunehmen, sondern auch regulierend damit umzugehen, diese in einem positiven Sinne beeinflussen und moderieren zu können. Das muss nichts mit Manipulation zu tun haben: Je besser es mir gelingt, mich auf die Emotionen meines Gegenübers einzustellen und ihm dabei zu helfen, sie selber zu erkennen, zu äußern und ggf. auch kontrollieren zu können, umso besser ist das Miteinander.

Auf eine letzte Dimension der emotionalen Kompetenz, nämlich die Fähigkeit und Bereitschaft, Gefühle auszudrücken, sind wir im vorangegangenen Infobrief zum Großteil schon eingegangen: Viele Menschen haben Angst, ihre Gefühle auszudrücken, weil sie befürchten, dass eine zu starke „Selbstoffenbarung“ auch mit dem Risiko der Zurückweisung einhergeht. Es kann aber auch vorkommen, dass Menschen im Laufe ihres Lebens schlicht nicht gelernt haben, diese „merkwürdigen inneren Wallungen“ genauer zu benennen, die richtigen Wörter zu finden, für das, was in Ihnen vorgeht. Wenn ein Mensch seinen inneren Zustand nur auf der Dimension „schlecht-gut“ beschreiben kann, kann dieses zu erheblichen Problemen mit sich und seiner Umwelt führen. Die gute Nachricht: Auch als Erwachsener kann man nicht nur den Mut entwickeln, seine Gefühle zu äußern, sondern es ist auch nie zu spät, sich selber besser kennenzulernen.

Wer nicht so weit geht, wie sein Gefühl ihn treibt und sein Verstand ihm erlaubt, ist ein Dummkopf.

Heinrich Heine
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