Ernährung, Psyche und Gesundheit – voller Durchblick oder Erschlagen von der Komplexität?

Ein Gastbeitrag von Michael Vinogradov

Statistiken1 zufolge ist in Deutschland mehr als 50% der Bevölkerung übergewichtig, Tendenz steigend. Vergleichbares lässt sich auch in vielen weiteren Ländern auf der Welt beobachten. Dabei gilt überschüssiges Körperfettgewebe als erheblicher Risiko-Faktor für eine Vielzahl von Krankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes Typ 2 und Demenz. Auch die psychische Gesundheit kann signifikant in Mitleidenschaft gezogen werden. So lässt die wissenschaftliche Datenlage eine Korrelation zwischen schlechten Ernährungsgewohnheiten, Übergewicht und der mentalen Gesundheit erkennen – insbesondere (aber nicht ausschließlich) anhand der Inzidenz von Depressionen.
Mit der heutigen Kenntnis und weiteren Erforschung des Darm-Mikrobioms, speziell des Zusammenhangs zwischen Verdauungsorganen-Nervensystem-Gehirn, wird das enorme Ausmaß der Verknüpfung und Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper zunehmend deutlich. So wird die ganzheitliche Betrachtung unserer Gesundheit immer ratsamer – etwas, was vielen von uns bereits intuitiv bewusst ist. An dieser Stelle ist die Auswahl unserer Nahrung ein effektives Werkzeug, um unser Wohlergehen positiv zu beeinflussen.
Betrachten wir also grundlegende Ernährungsprinzipien, an denen sich jeder Mensch orientieren kann, um die physische und psychische Gesundheit signifikant und nachhaltig zu fördern – mit dem Nebeneffekt eines verbesserten Wohlbefindens und Lebensgefühls.


Diese Ratschläge lassen dabei einen großen Freiraum in der Gestaltung einer geeigneten Ernährungsweise zu, die wissenschaftliche Datenlage ist hier ziemlich eindeutig:

1. Nicht in Extremen denken!

Ziel sollte sein, eine Grundidee zu entwickeln, welche Bausteine eine gesunde Ernährungsweise ausmachen, damit gesündere und weniger gesunde Lebensmittel bei der Auswahl in einem effektiven Verhältnis zueinander stehen – ohne dabei Angst vor Lebensmitteln oder bestimmten Nährstoffen entstehen zu lassen.

2. Ausreichend essentielle Nährstoffe & Ballaststoffe:

Der Körper braucht keine bestimmten Lebensmittel, sondern Energie (Kalorien), sowie Nährstoffe wie z.B. Proteine, Vitamine und Minerale. Ballaststoffe wiederum sind für die Mikroorganismen unserer Darmflora von hoher Bedeutung.

3. Abwechslungsreiche Auswahl „natürlicher“ Lebensmittel:

Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse & Samen, gelegentlich Fisch & fettarme Fleischsorten. Durch das Augenmerk auf den Konsum vieler unterschiedlicher Lebensmittel ist es wesentlich leichter die Menge an essentiellen Nährstoffen abzudecken, da kein einzelnes Lebensmittel alle nötigen Nährstoffe beinhaltet. Ein zusätzlicher Bonus ist die Einnahme von mehr Phytonährstoffen – Stoffe die nicht essentiell sind, aber eine positive Wirkung im Organismus entfalten (z.B. Kurkuma).

4. Vermeiden von stark verarbeiteten Lebensmitteln:

Die industrielle Lebensmittelverarbeitung führt häufig zur Reduktion essentieller Nährstoffe bei hohem Energiegehalt („leere Kalorien“) und ggf. sogar zur Entstehung schädlicher Stoffe (z.B. Trans-Fette). Der hohe Einsatz von Geschmacksverstärkern, Konservierungsstoffen etc. ist mitunter auch nicht unbedenklich für die Gesundheit.

5. Begrenzung von gesättigten Fetten und Salz:

Übermäßiger Verzehr gesättigter Fette (z.B. in Milchprodukten wie Butter, Schmalz, Ghee, fettigem Fleisch sowie Palmöl und Kokosöl) erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Stattdessen: einfach- und vor allem mehrfach-ungesättigte Fettsäuren können dieses Risiko senken. Zu viel Salz kann zu Bluthochdruck und damit zu einer konstant erhöhten Belastung der Gefäße führen, ebenso lässt sich ein Zusammenhang zu manchen Krebsarten beobachten (z.B. Darmkrebs).

6. Kalorien spielen immer noch eine Rolle – aber nicht ausschließlich!

Unterm Strich ist der Aufbau von Körperfett gleichbedeutend mit dem Überkonsum von Energie (Kalorien). Zuvor genannte Leitlinien stellen die Weichen zugunsten nährstoffreicher Lebensmittel mit niedrigerer Kaloriendichte – wodurch sich z.B. das Sättigungsgefühl früher einstellt. So wird die Energiezufuhr automatisch besser reguliert. Hinweis insbesondere für Sportler: auch zu wenige Kalorien über längere Zeiträume können problematisch sein (siehe Rel. Energie Defizit Syndrom RED-S).

7. Individuelle Faktoren:

Unverträglichkeiten, Allergien, genetische Anomalien und Krankheiten können zur Folge haben, dass der Verzehr mancher Lebensmittel negative Folgeerscheinungen hat. Eine ärztliche Abklärung der Ursache sollte obligatorisch sein! Dazu ist hier ein erhöhter Fokus darauf zu legen, andere Lebensmittel zu finden, welche die benötigten Nährstoffe liefern können und – falls nötig – Nahrungsergänzungsmittel einzusetzen.

8. Langsame Veränderung der Ernährungsgewohnheiten:

Plötzliche starke Veränderungen der Ernährung können für das Verdauungssystem eine enorme Belastung sein – analog zu Muskelkater oder Schmerzen nach langer Pause zu intensiv trainiert wird. Darum: schrittweise Veränderungen tätigen, nebenbei lassen sich so etwaige individuelle Probleme mit Lebensmitteln eindeutig zuordnen.


Zu guter Letzt: Ernährung ist kein Allheilmittel. Viele weitere Faktoren haben ebenfalls einen Einfluss auf die Gesundheit, z.B. Schlafqualität, körperliche Bewegung oder auch sozioökonomische Faktoren. Bestimmte Krankheiten können ebenso Übergewicht begünstigen, sodass zusätzliche medizinische Maßnahmen notwendig sind. Auch aus psychologischer Perspektive ergeben sich zahlreiche Wechselwirkungen, etwa bei Themen wie „body-positivity“ und Selbstwert über emotionale Regulationsstrategien bis hin zu Traumata – Fragen die wiederum eine psychologische Intervention erfordern.


Nichts desto trotz: Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Gesundheit durch Ernährung bleiben bestehen!

  1. https://www.dge.de/presse/meldungen/2025/uebergewicht-und-adipositas-in-d-lebensbedingungen-muessen-gesuender-werden/ ↩︎
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