Psychische Erkrankungen – eine Sichtung aktueller Zahlen und Daten

Psychische Erkrankungen und Beschwerden sind häufig und nehmen immer weiter zu. In Deutschland ist jedes Jahr rund ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung (die Angaben gehen von 28% bis 32%) von einer psychischen Erkrankung betroffen, von diesen Betroffenen ist wiederum nur ein kleiner Anteil in adäquater Behandlung. (1, 2, 10)

Die häufigsten psychische Erkrankungen sind

  • Angststörungen
  • Depressionen
  • Anpassungsstörungen/Reaktionen auf schwere Belastungen
  • Störungen durch Alkohol- und Medikamentenkonsum

Psychische Erkrankungen bringen ein erhebliches Leiden für die Betroffenen mit sich und gehören neben Herz-Kreislauferkrankungen, bösartigen Tumoren und Muskel-Skelett-Erkrankungen zu den vier wichtigsten Ursachen für den Verlust gesunder Lebensjahre. „Menschen mit psychischen Erkrankungen haben zudem im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine um 10 Jahre verringerte Lebenserwartung“ (1).

Auch in der Arbeitswelt ist die Verbreitung psychischer Erkrankungen deutlich und zunehmend spürbar: Circa 16% aller Fehltage sind auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Im 10-Jahresvergleich (2012 – 2022) sind die Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen um 48% gestiegen! (5)
Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit (AU) aufgrund von psychischen Erkrankungen ist lang: Betroffene fehlen durchschnittlich 39 Tage. Außerdem sind psychische Erkrankungen mit 42% der häufigste Grund für Frühverrentungen. Das Durchschnittsalter für Frühverrentungen aufgrund einer psychischen Erkrankung liegt bei 49 Jahren. (5)

Die Corona-Pandemie hat die Situation noch weiter verschärft: Die WHO berichtet, dass allein im ersten Pandemiejahr die Fälle von Depressionen und Angststörungen weltweit um 25 Prozent gestiegen sind (3). Auch im Gesundheitsmonitoring des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigten sich für Deutschland deutliche Anstiege von depressiven und Angstsymptomen seit Herbst 2020 bis Juni 2022. Gleichzeitig sank der Anteil derjenigen, die ihren psychischen Gesundheitszustand als sehr gut oder ausgezeichnet einschätzten (4).

Mit dem Abklingen der Pandemie ist offenbar keine Erholung der psychischen Gesundheit in Deutschland verbunden. Aktuelle Zahlen der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) (11) weisen auf eine alarmierende Zunahme von Fehlzeiten aufgrund psychischer Belastungen und von entsprechenden Krankheitsfällen hin. Im ersten Halbjahr 2023 sind demnach im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen um 85% gestiegen, die Anzahl der psychisch bedingten AU-Fälle um 32%. Am häufigsten hätten Ärzte dabei als Krankheitsbilder akute Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen diagnostiziert. Dies unterstreicht, dass die Menschen in Deutschland „unter ungewöhnlichem Druck, großen Belastungen und Dauerstress stehen“, so die KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick.

Dem steigenden Bedarf nach psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung steht ein defizitäres Behandlungsangebot gegenüber. Bereits seit vielen Jahren muss man mit erheblichen Wartezeiten rechnen, bis man eine adäquate Therapie beginnen kann. Dieser Versorgungsengpass wurde durch die Corona-Pandemie noch einmal erheblich verschärft. Die Nachfrage nach Psychotherapie übersteigt die vorhandenen ambulanten Versorgungsangebote bei weitem. (2) Umfragen der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) ergaben, dass die Praxisanfragen für Psychotherapie alleine 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 41% zugenommen haben. Wegen mangelnden Kapazitäten konnte nur einem Viertel der Anfragenden überhaupt ein Termin für ein Erstgespräch angeboten werden. 38% dieser Anfragenden warteten länger als 6 Monate auf den Behandlungsbeginn. Eine Prognose des Zentralinstituts der kassenärztlichen Versorgung geht davon aus, dass bis 2030 die Nachfrage nach Psychotherapie um weitere 23% ansteigen wird, obwohl die demographische Entwicklung eigentlich einen Fallrückgang erwarten lassen könnte. (2)

Die Corona-Pandemie hat besonders Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene getroffen: Depressionen, Angststörungen, Essstörungen und Adipositas haben im Jahr 2022 und 2021 signifikant zugenommen (2, 10).  Entsprechend wuchs auch die Anzahl von stationären und ambulanten Behandlungen von Kindern und Jugendlichen aufgrund von psychischen Erkrankungen (2). Insbesondere die Anzahl von jugendlichen Mädchen, die wegen einer psychischen Erkrankung stationär behandelt wurden, ist 2022 deutlich gestiegen: Bei Angststörungen um ein Drittel, bei Essstörungen um über die Hälfte und bei Depressionen um gut ein Viertel. Der Axa Mental Health Report 2023 berichtet, dass „41 Prozent der 18- bis 34-jährigen Frauen in Deutschland sagen, sie seien aktuell psychisch krank“ (10).

„Wir befinden uns mitten in einer Mental-Health-Pandemie, deren Auswirkungen erst nach und nach sichtbar werden“ (Prof. Dr. med. Christoph U. Correll) (6).

Quelle: https://www.axa.de/presse/mediathek/studien-und-forschung/mental-health-report-2023

Ein Rückgang der Fallzahlen von psychischen Erkrankungen ist nicht in Sicht – ein deutlicher Zuwachs von Behandlungsplätzen auch nicht. Vor diesem Hintergrund wird klar, warum der Prävention und Förderung von psychischer Gesundheit in Unternehmen – und auch in anderen Lebenswelten der Menschen wie z. B. in Familie, Kitas und Schulen – jetzt eine so große Bedeutung zukommt! (8, 9,)

Quellen:

(1) DGPPN: Basisdaten – Psychische Erkrankungen, Stand: Januar 2023
(2) DPtV: Report Psychotherapie 2021 und 2023
(3) https://www.who.int/news/item/02-03-2022-covid-19-pandemic-triggers-25-increase-in-prevalence-of-anxiety-and-depression-worldwide
(4) https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/MHS/COVID-Pandemie-und-psychische-Gesundheit-Erwachsener.html?nn=13282916
(5) DAK_Psychreport 2022 und 2023
(6) https://bptk.de/pressemitteilungen/b-pt-k-teilt-sorge-um-mental-health-pandemie/
(7) https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/s/seelische-gesundheit.html
(8) https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/betriebliche-gesundheitsfoerderung/gesundheit-und-wohlbefinden-am-arbeitsplatz.html
(9) psyGa fokus – Tabuthema Psyche, 2019
(10) Axa Mental Health Report 2023, Pressemitteilung am 28.02.2023: https://www.axa.de/presse/axa-mental-health-report-2023#:~:text=41%20Prozent%20der%20jungen%20Frauen%20bezeichnen%20sich%20als%20psychisch%20erkrankt&text=41%20Prozent%20der%2018%2D%20bis,den%20emotionalen%20Zustand%20der%20Deutschen.
(11)https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/krankenkasse-psychische-belastungen-100.html


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