Der Suizid gehört zu den häufigen Todesursachen. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes haben sich im Jahr 2006 in der Bundesrepublik 9765 Menschen das Leben genommen, wobei Untersuchungen darauf hinweisen, dass viele Suizide nicht als solche erkannt werden, die Dunkelziffer also wohl deutlich höher liegt. Im Vergleich mit bei Verkehrsunfällen tödlich Verunglückten (2006: 5091) zeigt sich die Bedeutung dieses Phänomens.
Die Häufigkeit von Selbsttötungsversuchen liegt wesentlich höher, eindeutige Zahlen liegen dafür aber nicht vor. Schätzungen gehen dahin, dass auf jeden vollendeten Suizid etwa 5 bis 10 Suizidversuche ohne tödlichen Ausgang kommen.
Ein Blick auf die Betroffenen zeigt, dass fast dreimal so viele Männer durch Suizid sterben als Frauen (7225 zu 2540), andererseits begehen Frauen in etwa dem gleichen Verhältnis häufiger Suizidversuche als Männer.
Hinsichtlich der Altersverteilung ist festzustellen, dass das Suizidrisiko mit zunehmendem Alter steigt – 60% der Suizidanten waren in 2006 50 Jahre oder älter.
Eine positive Nachricht ist, dass die Zahl der Selbsttötungen seit Jahrzehnten stark rückläufig ist – im Vergleich zu 1980 hat sich die Suizidrate etwa halbiert. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig, wesentlichen Anteil haben eine intensive Prävention, wie auch die Fortschritte in der Behandlung von psychischen Störungen.
Wie ist mit der Androhung von Selbsttötungen umzugehen?
Es ist ein Mythos, dass Menschen, die davon reden, sich umbringen zu wollen, dies nicht tun werden. Das Gegenteil ist der Fall: Dreiviertel aller Suizidalen kündigen ihre Absicht vorher an.
Eine wesentliche Regel lautet:
Menschen, die einen Selbstmord in Erwägung ziehen und dieses direkt oder indirekt ihrer Umwelt mitteilen, sollten grundsätzlich ernst genommen werden.
Dem Suizid geht meistens ein sog. präsuizidales Syndrom voraus, welches von dem Psychiater Erwin Ringel beschrieben wurde, der Menschen untersucht hatte, die einen Suizidversuch überlebt hatten. Im Vorfeld einer Selbsttötungshandlung konnte er bei den Betroffenen sehr häufig folgende Komponenten feststellen:
- Einengung der persönlichen Möglichkeiten, was sich entweder auf „äußere“ Handlungsmöglichkeiten bezieht, sei es beispielsweise explizit durch Gefangenschaft, zwischenmenschliche Situationen (Isolation, Vereinsamung) oder durch Lebensereignisse (z.B. Arbeitsplatzverlust, Krankheit), die als nicht bewältigbar erscheinen. Einengung kann auch primär im Hinblick auf das affektive Erleben geschehen, wenn nur noch negative Gefühle, wie Depression und Angst erlebt werden. Dominant ist ein Gefühl von Ausweglosigkeit, nur der Suizid erscheint als einziger Ausweg.
- Frustration und Aggression gegen die eigene Person – die Betroffenen zeigen eine fehlende Aggressionsabfuhr und wenden die Aggressionen gegen die eigene Person
- Selbsttötungsphantasien. Der Betroffene steigert sich zunehmend in Gedanken an den Tod und an Suizidhandlungen, wobei diese Gedanken als „sich aufdrängend“ erlebt werden können oder sich aber auch in einem aktiven Planen äußern. Je konkreter eine Suizidhandlung in der Phantasie Gestalt annimmt, desto höher die Gefahr, der Umsetzung.
Was können konkrete mögliche Anzeichen für einen geplanten Suizid sein, welche – für sich oft unspezifischen – Symptome können auf eine erhöhte Gefährdung hinweisen?
- Selbstverletzung, Selbstverstümmelung
- Hoffnungslosigkeit, Abwendung von der Zukunft
- Brüche im Verhalten (z.B. in der Schule, am Arbeitsplatz)
- Auffällige Zunahme von zwanghaftem Verhalten
- Plötzliches Auftreten von Sprunghaftigkeit, Impulsivität
- Unerwartetes und grundloses Verschenken von persönlichen Gegenständen
- Rückzug von Freunden und sonstigen Aktivitäten
- Möchte nicht mehr berührt werden
- Gleichgültigkeit gegenüber äußerem Auftreten
- Weglaufen
- Risikoverhalten, Unfallgefährdung
- Offensichtliche Zeichen von psychischer Erkrankung
- Verbale oder schriftliche Hinweise auf Todessehnsucht
- Äußern von Sterbensgedanken
- Gleichgültigkeit gegenüber Leben und Tod
Folgende Aspekte sollten im Umgang mit der betreffenden Person berücksichtigt werden:
- Gehen Sie auf die Äußerung des Betroffenen ein und sprechen Sie den Suizidgedanken konkret an.
- Nehmen Sie Kontakt zu Angehörigen oder anderen relevanten Bezugspersonen auf, um sicherzustellen, dass der Betroffene nicht allein ist.
- Raten Sie der Person dringend unmittelbar professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Unterstützen Sie sie bei der Vereinbarung eines Termins. Ansprechpartner sind Psychiater, Psychotherapeuten und psychotherapeutische Einrichtungen sowie psychiatrische Kliniken. Eine erste Anlaufstelle zur Unterstützung bei der Auswahl einer geeigneten Einrichtung können der Hausarzt oder auch Telefonnotrufeinrichtungen, etwa die Telefonseelsorge (Telefonnummer bundesweit: 111-01/02) sein.
- Wenn sich der Betroffene nicht davon überzeugen lässt, Hilfe in Anspruch zu nehmen empfiehlt es sich, Kontakt zur Polizei oder zum Sozialpsychiatrischen Dienst des Ortes aufzunehmen. Die genannten Stellen können im Bedarfsfall eine Zwangseinweisung einleiten. Zögern Sie nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist besser, einmal zuviel als einmal zu wenig gehandelt zu haben.
Ergänzend seien folgende Empfehlungen des Forums für Suizidprävention und Suizidforschung aus Zürich, wie suizidgefährdeten Menschen zu begegnen ist, aufgelistet:
- Den eigenen Gefühlen trauen Vertrauen
Sie Ihren eigenen Gefühlen, wenn Sie mit einem Menschen in Kontakt sind, der suizidgefährdet ist. Nehmen Sie Ihre Gefühle ernst, denn Sie können Ihnen ein guter Ratgeber sein. - Nach Suizidgedanken fragen
Trauen Sie sich! Fragen Sie nach, ob der betroffene Mensch, Gedanken hat, seinem Leben ein Ende zu setzen. Es stimmt nicht, dass Menschen durch diese Frage erst recht gefährdet sind. Das Ansprechen von Suizidgedanken hilft uns, Phantasien und Ängste zu klären – und dem betroffenen Menschen, sich aussprechen zu können. - Aussagen ernst nehmen
Nehmen Sie suizidale Aussagen ernst! Es stimmt nicht, dass Menschen, die mehrmals von Suizid sprechen, sich nichts antun. - Zuhören als wichtigste Hilfe
Erwarten Sie von sich selber keine Wunder! Interessiertes Zuhören ist fast immer die erste und wichtigste Hilfe. Sie ermöglichen so, dass der betroffene Mensch erste Entlastung findet. - Entlasten – nicht Probleme lösen
Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, die Probleme des suizidgefährdeten Menschen lösen zu wollen! Sich aussprechen bringt den Betroffenen Entlastung. - Verantwortung teilen
Bürden Sie sich selber nicht zu viel Verantwortung auf! Teilen Sie die Verantwortung mit anderen Personen. Holen Sie sich Unterstützung bei Verwandten, FreundInnen oder professionellen HelferInnen des suizidgefährdeten Menschen. - Grundhaltung: engagierte Gelassenheit
Erlauben Sie sich nebst dem Engagement und der verständlichen Besorgnis auch Gelassenheit und Zeit. Drängen Sie sich nicht selber dazu, schnell reagieren zu müssen. - Stellung beziehen ohne zu (ent-)werten
Beziehen Sie Stellung! Verurteilen und bewerten Sie die Suizidgedanken oder Suizidabsichten nicht! Das könnte etwa so klingen: „Ich verstehe, dass Du Dich verzweifelt und hoffnungslos fühlst in dieser Situation. Ich sehe, was Dich belastet. Ich möchte Dir aber helfen, am Leben zu bleiben, damit eine Veränderung überhaupt möglich ist.“ - Grenzen der eigenen Belastbarkeit
Achten Sie auf die Grenzen Ihrer Belastbarkeit! Kurzfristig ist ein hohes Engagement oft sinnvoll, langfristig jedoch besteht die Gefahr der Überforderung. - Grenzen der Machbarkeit
Letztendlich liegt es nicht in Ihrer Hand, den Suizid eines Menschen zu verhindern. - Hilfe durch professionelle Helfer
Suizidalität hat viele Ursachen. Motivieren Sie die suizidgefährdete Person, sich durch Fachleute helfen zu lassen. Nehmen Sie selber mit Fachleuten Kontakt auf, wenn Sie Fragen haben, sich unsicher fühlen oder wenn dringend Hilfe nötig ist.
Quellen: Rübenach, S. (2007) Todesursache Suizid, Statistisches Bundesamt – Wirtschaft und Statistik 10/2007 Homepage des Forums für Suizidprävention und Suizidforschung Zürich: www.fssz.ch, Dorrmann, W. (2006) Suizid – Therapeutische Interventionen bei Selbsttötungsabsichten. Stuttgart: Klett-Cotta www.webpsychiater.de