In Anknüpfung an das Thema „Veränderung“ wollen wir noch einmal einen Blick darauf werfen, wieso es oftmals so schwerfällt, Ziele, die man doch eigentlich erreichen will, tatsächlich auch in Angriff zu nehmen. Im HPC-Infobrief 02-2013 hatten wir das Verhalten von Menschen als Funktion von Können, Wollen und Dürfen beschrieben. Wirft man nun einen genaueren Blick auf das „Wollen“, erklärt sich, warum nicht jedes Motiv auch in die Tat umgesetzt wird.
Grundsätzlich liegt im Wollen ja der wesentliche Antrieb für jedes zielgerichtete Verhalten und man kann in diesem Bereich Begriffe, wie Trieb, Motiv, Motivation, Bedürfnisse oder auch Grundbedürfnisse verordnen. Hier gibt es in der Psychologie verschiedene Modelle und Theorien, die hier gar nicht im Einzelnen Gegenstand der Betrachtung sein sollen. Dass aber das, was ein Mensch will, nicht nur Ausdruck seiner Persönlichkeit ist, sondern auch, je nach Umsetzungsgrad seine Anpassung an die Umwelt bestimmt und damit auch wieder auf seine Persönlichkeit zurückwirkt, ist keine abwegige Annahme. Sehr schnell landet man auch in der Philosophie, zum Beispiel bei der Frage des FREIEN WILLENS. Das berühmte Zitat von Arthur Schopenhauer: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will“ lädt dabei durchaus zum Nachdenken ein. Dass das Verhalten von Menschen oftmals von Kräften gesteuert wird, derer sich die Menschen zumindest oft nicht bewusst sind und die man sich zudem oft auch gar nicht bewusst machen kann, ist allgemein anerkannt. Ein allgemein bekanntes Beispiel für dieses Phänomen: Menschen, die hungrig einkaufen gehen, kaufen in der Regel mehr ein, als satte Menschen.
Ein Hungerbedürfnis kann dabei als eine starke intrinsische Motivation verstanden werden. Dinge, die einem Menschen aus sich heraus gut tun, die er interessant findet, bei denen er eine unmittelbare Befriedigung erfährt, sind bekanntermaßen diejenigen, die am leichtesten fallen. Wenn man frühmorgens den Wunsch nach einem heißen Kaffee hat, nimmt man den Aufwand zur Zielerreichung gerne in Kauf. Der Impuls, sich ein leckeres Tässchen zu brühen, wird nicht so schnell von konkurrierenden Handlungsimpulsen ausgestochen. Vor allem: man empfindet bei der Zielerreichung in der Regel keine erhebliche Beanspruchung, sondern macht es einfach ohne zu zögern.
Anders sieht es dann schon bei Dingen aus, die entweder extrinsisch motiviert sind, d.h. bei denen äußere Anreize wie Lohn oder Strafandrohung eine Rolle spielen oder aber bei solchen „Verhaltenszielen“, die zwar notwendige Teilziele auf dem Weg zu einem intrinsisch motivierten Oberziel sind (z.B. „Waschbrettbauch“), aber als konkretes Verhaltensziel („Mache täglich Bauchmuskelübungen“) dann doch in Konkurrenz mit anderen irgendwie attraktiveren Verhaltensweisen stehen.
Hier spielt nun der Aspekt der Willenskraft eine zentrale Rolle, für die die Wissenschaft den Begriff VOLITION geprägt hat, die auch als WIRKUNGSKRAFT DES WILLENS oder auch als Umsetzungskompetenz definiert wird. Gemeint ist die Fähigkeit, Impulse, Motive, Gedanken, Gefühle und Handlungen so zu steuern, dass man seine Ziele möglichst effizient erreicht. Volition kann also auch als eine effiziente Selbststeuerung angesehen werden. Wenn man Motivation eher als Handlungsbereitschaft definiert, dann ist die Volition deren pragmatische Schwester, ganz im Sinne des Kästner´schen „Es gibt nichts Gutes, es sei denn man tut es.“
Und offenbar liegt gerade in dieser Volition der Schlüssel zum Erfolg. Laut der empirischen Arbeit von Prof. Waldemar Pelz, entscheidet vor allem die Volitionsstärke beispielsweise über Erfolg und Misserfolg einer Führungskraft. In der von ihm vorgenommen Konzeption lässt sich die Volition in verschiedene Teilkompetenzen aufgliedern:
- Aufmerksamkeitssteuerung und Fokussierung
Umsetzungsstarke Menschen haben klar formulierte Ziele, kennen Ihre Wertvorstellungen, können deswegen klare Prioritäten setzen und lassen sich nicht leicht von diesem Ziel ablenken, auf das sie sich beharrlich konzentrieren können.
- Emotions- und Stimmungsmanagement
Hiermit ist die Fähigkeit gemeint, emotionale Probleme zu vermeiden, was voraussetzt, dass man eigene Gefühle und Beweggründe, aber auch die anderer gut verstehen kann (Empathie), um Stimmungen positiv zu beeinflussen.
- Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke
Diese Kompetenz liegt vor, wenn man aufgrund von Erfahrungen von eigenen Stärken überzeugt ist und glaubt, dass man durch eigenes Handeln viel bewirken kann (Selbstwirksamkeit) und entsprechend nicht schnell aufgibt, sondern nach Lösungen sucht.
- Vorausschauende Planung und Problemlösung
Menschen mit dieser Kompetenz müssen weniger reagieren, weil sie hinsichtlich ihrer Handlungen und Ziele besser vorbereitet sind. Zugleich: Unangenehme Probleme werden sofort angepackt und Entscheidungen werden nicht herausgeschoben.
- Zielbezogene Selbstdisziplin
Die Fähigkeit, sich im Hinblick auf ein bestimmtes Verhaltensziel selbst zu disziplinieren und fremde Impulse, Ablenkungen oder „Verlockungen“ wirksam zu kontrollieren. Umso günstiger, je mehr diese Selbstdisziplin aus der Einsicht in den tieferen Sinn der eigenen Arbeit oder aus einer ethischen Wertehaltung resultiert.
Natürlich sind diese beschriebenen Teilkompetenzen der Volition in anderen Zusammenhängen wohlbekannt. Für uns alle interessant ist dabei aber der Gedanke, dass diese Kompetenzen allesamt erlern- und trainierbar sind. War man früher geneigt, den erfolgreichen „Macher“-Typen ein angeborenes ominöses Charisma zuzuschreiben, so gibt nun diese Betrachtungsweise ganz konkrete Ansatzpunkte, wie man die eigene Willenskraft verstärken kann. Naja, muss ja nicht heute sein, morgen ist auch noch ein Tag…