Gastautorin: Svea Bode
Wertschätzung ist in vielen Lebenslagen ein wichtiger Motivationsfaktor. Das Gefühl von „Ich bin gut so wie ich bin und ich bin wichtig“ wirkt sich positiv auf den gesamten Organismus eines Menschen aus. Wertschätzung ist auch eine wichtige Ebene der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow. Seine Theorie befasst sich mit notwendigen Bedürfnissen jedes einzelnen Menschen und deren Einfluss auf das eigene Wohlbefinden. Die Pyramide erstreckt sich angefangen von den Grundbedürfnissen wie Essen und Trinken über das Schutzbedürfnis hin zur Erfüllung von sozialen Bedürfnissen und Wertschätzung bis hin zur Selbstverwirklichung.
Tragen Arbeitsverhältnis, Teamzusammenhalt und eine gute Wertschätzungskultur innerhalb einer Organisation zur Erfüllung dieser Ebene bei, kann sich ein positives Miteinander am Arbeitsplatz auch positiv auf die mentale Gesundheit und auf das psychische und physische Befinden sowie auf die Motivation, Arbeitszufriedenheit und Leistung auswirken. Es gibt aber auch alternative Darstellungen, die stärker den dynamischen Charakter und das Zusammenspiel aller Ebenen verdeutlicht.
Führungskräfte können somit durch regelmäßige Wertschätzung einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit der Mitarbeiter leisten. Hinzu kommt, dass Mitarbeiter durch regelmäßige Wertschätzung ihrer Arbeitsleistung kreativer- und innovativer denken und sie dem Unternehmen länger treu bleiben. Im Umkehrschluss bedeutet das allerding auch: Arbeitsbedingungen mit dem Ziel der reinen Nutzenmaximierung machen krank.
Wertschätzung ist ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für die Verbundenheit zum Unternehmen. Innere oder tatsächliche Kündigungen können durch eine gute Wertschätzungskultur verringert werden. Dies wiederum bietet dem Unternehmen auf lange Sicht einen erheblichen Mehrwert. Denn die mangelnde emotionale Verbundenheit der Mitarbeiter kostet die deutsche Wirtschaft aufgrund von unmotivierten oder kranken Arbeitnehmern jährlich zwischen 76 und 99 Milliarden Euro (Gallup Engagement Index Deutschland 2015). Jedoch fehlt es in vielen Betrieben an Wertschätzung und Anerkennung und somit auch an emotionaler Verbundenheit der Mitarbeiter zum Unternehmen. Einige Führungskräfte unterschätzen die Wirksamkeit von Wertschätzung, zudem erweist es sich als schwierig, die Balance zwischen wirksamer und nachhaltiger Wertschätzung und „Kuschelkurs“ zu finden. Oftmals bleiben Versuche, Wertschätzung aktiv in den Arbeitsalltag zu integrieren, auf dem Weg zur Wirkung auf der Strecke.
Ist Wertschätzung messbar? Oder: Menschlichkeit und der Return on Investment
Zahlenorientierung bestimmt den Alltag von Unternehmen. Jegliche Aspekte der Betriebswirtschaft werden gerne in Zahlen ausgedrückt um ihre Bedeutsamkeit zu verdeutlichen und zu gewichten. Doch ist dies auch in Bezug auf Wertschätzung möglich? In einer gewissen Weise schon. Um Menschlichkeit in Zahlen auszudrücken, erweist sich der ROI (Return on Investment) als eine passende Kennzahl. Der ROI setzt Ertrag und Kapitaleinsatz von Investitionen in Beziehung (ROI = Gewinnanteil/Kapitaleinsatz). Es müssen allerdings nicht immer bestimmte Erträge vorliegen, um den ROI berechnen zu können. Der Kapitaleinsatz zur Messung des ROI in Bezug auf Wertschätzung beinhaltet alles, was in Menschlichkeit investiert wird. Also sowohl Geld, Zeit, Vertrauen, Unterstützung und jegliche Formen von Wertschätzung. Der Gewinnvorteil ist neben der Wirtschaftlichkeit auch Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenzufriedenheit, Wettbewerbsvorteile und Arbeitgeberattraktivität. Da es sich beim ROI der Wertschätzung nicht immer um genaue Zahlen, sondern auch um Veränderungen von Unternehmensfaktoren handelt, muss eine gemeinsame Bewertungseinheit festgelegt werden, die Gewinn und Kapital realitätsnah abbildet und ihr Verhältnis ausdrückt. Sinnvoll ist daher die Angabe von Veränderungen in Prozentwerten. Hier ein Beispiel:
Ein Unternehmen bietet für Mitarbeiter jährliche Teambildungsseminare in den einzelnen Abteilungen an, die das Miteinander und die Wertschätzungskultur stärken sollen. Die pauschalen Seminargebühren betragen 700 Euro. Die Mitarbeiter werden während der Teilnahme des Seminars weiter mit ihrem persönlichen Stundensatz bezahlt. Dem Unternehmen fallen zu dieser Zeit aber Arbeitskräfte weg. Nehmen wir an, die Kosten die dadurch entstehen betragen ca. 1.200 Euro (abhängig von Anzahl der MA).
Der Kapitaleinsatz beträgt allgemein somit 1.900 Euro. Durch das bessere Betriebsklima sinkt die Krankenquote der Mitarbeiter um 10 Arbeitstage. In diesem Beispiel verdienen die Mitarbeiter der Abteilung durchschnittlich 3.200 Euro. Ausgehend von 20 Arbeitstagen und 10 Krankheitstagen weniger im Monat spart das Unternehmen 1.600 Euro Gehaltszahlung ohne Leistung.
ROI für Menschlichkeit = 1.600 Euro / 1.900 Euro = 84,21 %
Trotzdem sollte jeder Führungskraft bewusst sein, dass diese Werteermittlungen sich der Realität nur annähern können – sie aber nicht eins zu eins abbilden.
Wertschätzung lernen
Ist Wertschätzung wirklich erlernbar? Auch hier lautet die Antwort: Ja! Sowohl in Bezug auf den Arbeitsplatz und Mitarbeiterführung als auch im Privatleben gibt es durchaus bestimmbare Faktoren, die bei den allermeisten Mitarbeitern dafür sorgen, dass das „Wertschätzungsbarometer“ steigt:
- Schon die Körperhaltung und Mimik übertragen sich auf das eigene Umfeld und vermitteln den Kolleginnen und Kollegen um einen herum eine positive oder negative Stimmung und Atmosphäre und verdeutlichen vorhandenes oder nicht vorhandenes Interesse am Leben anderer.
- Nonverbale Faktoren wie Geduld, Vertrauen, Humor, Offenheit, Aufmerksamkeit und Engagement sind ebenfalls klar erkennbare Formen von Wertschätzung.
- Erfolgreiches Feedback nutzt häufiger Lob als Kritik. Genaugenommen sollte man die Regel 3 zu 1 beachten – also dreimal häufiger loben als kritisieren.
Wertschätzung ist nicht zu verallgemeinern. Vielmehr ist sie ein dynamischer Prozess und bedarf stets eine individuelle Anpassung an ihre Empfänger. Ist für den einen Vertrauen, Verantwortung und das Gefühl, wichtig zu sein, das höchste Maß an Wertschätzung, so ist es für den nächsten das deutlich ausgesprochene Lob.
Es ist wichtig, die jeweilige „Wertschätzungssprache“ der Menschen um eine herum zu kennen. Ausgesprochene und gezeigte Wertschätzung können dann mit vergleichsweise geringem Aufwand große Wirkung erzielen.
Wertschätzung allgemein und in Bezug auf eine effektive Personalführung richtet sich daher gleichermaßen an Herz und Verstand.
Quellen: Brockhoff, S.; Panreck, K.: Menschlichkeit rechnet sich – Warum Wertschätzung über den Erfolg von Unternehmen entscheidet // Hentze, J.; Graf, A.; Kammel, A.; Lindert, K.: Personalführungslehre – Grundlagen, Funktionen und Modelle der Führung. // Gallup Engagement Index // PERSO NET // BAuA