Warum Menschen (meistens) keine Veränderung mögen oder „Das Gehirn ist faul“

Wie schwer Veränderungen fallen können, weiß wohl fast jeder, der schon einmal eine Diät gemacht hat oder mit dem Rauchen aufhören wollte. Auch wenn Menschen sich eine Veränderung wünschen, ist doch die Umsetzung meistens nicht leicht. Und was im „Kleinen“ schon schwerfällt, gilt erst recht im „Großen“: Viele Menschen fühlen sich in einer Beziehung oder auch in einem Beruf nicht wohl, scheuen aber notwendige Schritte, um eine Veränderung herbeizuführen. Hinzu kommt, dass in den Zeiten des immer schneller werdenden Wandels der Veränderungsdruck speziell in der Arbeitswelt stetig zunimmt. Die Veränderungszyklen werden – Stichwort Digitalisierung – immer kürzer und das „Change Management“ immer bedeutsamer.

Um ein Gefühl zu gewinnen, warum es Menschen oftmals schwerfällt, Veränderungen anzugehen, können Sie sich selber ein paar Fragen beantworten:

  • Wie startet Ihr Arbeitstag vom Aufstehen bis zum Aufbruch zur Arbeit? Relativ gleich oder ständig anders?
  • Wie häufig wechseln Sie die Fahrtstrecke zur Arbeit?
  • Wie viel unterschiedliche Begrüßungsformeln nutzen Sie am Telefon?
  • Wie häufig denken oder sprechen Sie von „typisch Mann oder typisch Frau“, „typisch Deutschland“, „typisch Behörde“ oder Ähnliches?

Die meisten werden feststellen, dass der Großteil des Verhaltens, Denkens und Fühlens weitgehend „automatisiert“ vonstattengeht. Wir bewegen uns in Gewohnheiten, unser Wahrnehmen und Erleben wird durch „altbewährte“ Muster und Stereotypien strukturiert (siehe HPC-Infobrief 4-2016) und dieses geschieht oftmals, ohne dass wir uns dessen bewusstwerden. Das hat entscheidende Vorteile, denn es hilft Komplexität zu reduzieren, ermöglicht schnelles und (meist) angepasstes Verhalten und vor allem spart es einfach Energie.

Der Anteil des Gehirns an der gesamten Körpermasse beträgt zwar nur ca. 2%, es nimmt aber ca. 20% des Energieumsatzes in Anspruch. Nur vernünftig, dass das Gehirn versucht Energie zu sparen und deswegen auf Schablonen zurückgreift.

Eine „kontrollierte Informationsverarbeitung“, die immer dann notwendig ist, wenn wir etwas Neues lernen, erfolgt weitgehend auf der Großhirnrinde und die ist ein „Spritfresser“ und vor allem sehr begrenzt in ihrer Verarbeitungskapazität. Wenn wir beispielsweise Autofahren lernen, so bedarf es einer intensiven Selbstbeobachtung und –steuerung („Kupplung laaangsam kommen lassen“), was zusammen mit der Notwendigkeit den Verkehr zu beobachten, nicht nur die Nerven des Fahrschülers kostet. Mit zunehmender Wiederholung (Erfahrung) „sickert“ das Verhalten ins automatisierende „Unbewusste“, das Fahren geht von selbst und das Gehirn kann sich dabei anderen Dingen widmen. (Dass das auch nicht immer vorteilhaft ist, zeigen dabei die alljährlichen Unfallstatistiken).

Kurz: Das Gehirn liebt Routinen. Die Neurobiologie zeigt sogar, dass immer wenn wir uns in gewohnten Bahnen bewegen, dieses sogar durch die Ausschüttung von körpereigenen Opiaten „belohnt“ wird.

Ein weiterer wichtiger Faktor, warum Veränderungen oft schwerfallen: Das „Immerschon-so“, die vertrauten Pfade, befriedigen auch das Grundbedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle. Das Neue und Unbekannte hingegen trägt immer auch etwas Unkalkulierbares in sich, bedroht das Sicherheitsgefühl und erfordert eine aktive Bewältigung. Oftmals gelingt es nicht, dieses positiv mit einem Gefühl von Herausforderung zu verbinden, sondern geht mit einem Gefühl von Bedrohung und Verlust einher. Ein zentraler Umstand dabei: Die emotionale Bewertung geschieht automatisch auf dem Boden der alten Muster und eigener persönlicher Erfahrungen und wird, sofern nicht „gespürt“ wird, dass mit dem Neuen auch etwas Positives, eine „Belohnung“ verbunden ist, erst einmal mit Unsicherheit oder sogar Angst verbunden sein.

Hier ist wichtig zu berücksichtigen, dass sich Menschen natürlich stark darin unterscheiden, wie offen sie Veränderungen gegenüber stehen und diese aktiv anstreben. In der Psychologie wird dieses als ein charakteristisches Persönlichkeitsmerkmal betrachtet und wird als „Offenheit für neue Erfahrungen“ oder auch „sensation seeking“ beschrieben. Bei manchen Menschen ist dieses Merkmal stark, bei anderen nun mal schwach ausgeprägt. Nicht unwichtig bei organisationalen Veränderungsprozessen: Bei Führungskräften scheint diese Eigenschaft überdurchschnittlich häufig vorzukommen, denen es dann aber nicht immer leicht fällt zu akzeptieren, dass Mitarbeitende nicht begeistert auf jeden angestoßenen Change-Prozess anspringen.

In der Psychologie der Veränderung kommen dabei auch noch andere Phänomene zum Tragen, hier wollen wir noch den Aspekt der „emotionalen Abwehr“ aufgreifen. Wenn das Ziel der Veränderung, der SOLL-Zustand, als positiv bewertet wird, geht damit die Annahme einher, dass der IST-Zustand schlecht ist. Wenn damit aber auch verknüpft wird, dass man selber bisher zu doof war und falsch gehandelt oder gedacht hat, so resultieren daraus ungute Gefühle von Versagen und Schuld. Und was passiert, wenn diese Gefühle zu stark sind? Genau – bevor ich mich selber abwerte (oder abwerten lasse), tue ich das doch lieber mit dem SOLL-Zustand, der ja so viel besser als das Bisherige ja nun auch nicht ist, genau genommen sogar deutliche Schwächen hat, oder?

In den kommenden Info-Briefen wollen wir versuchen, weitere Aspekte von Veränderung und Wandel und wie man diese gut meistern kann aufgreifen. Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, schreiben Sie uns doch gerne an!

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