Manche Menschen wirken auf uns irgendwie distanziert, wir kommen ihnen nicht richtig näher. Auch wenn der Kontakt eigentlich freundlich ist, wir sie sogar schon recht lange kennen, bleibt eine gewisse Kühle. Ihre Verschlossenheit und eine gewisse Distanz zu ihnen ist deutlich spürbar. Jeder von uns kennt solche Personen. Jeder von uns kennt die Situation „nicht richtig mit jemandem warm zu werden“.
Dazu muss man wissen: Das Verbergen von Gefühlen ist ein reiner Selbstschutz. Gefühle zu zeigen, besonders vermeintlich „schwache“ Gefühle, das bedeutet für viele Menschen, anderen eine Angriffsfläche zu bieten. Sie haben Angst verletzt zu werden, zurückgewiesen und ausgegrenzt zu werden, sich zu blamieren, lächerlich gemacht zu werden usw. Gefühle nicht zu zeigen ist ein Selbstschutz, um (soziale) Schmerzen und Ablehnung zu vermeiden.
Von anderen Personen akzeptiert und anerkannt zu werden und sozialen Gruppen anzugehören, ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Wird dieses Bedürfnis nach Zugehörigkeit verletzt, tritt sozialer Schmerz auf (der im Übrigen die gleichen Gehirnregionen aktiviert wie physischer Schmerz). Unsere Psyche tut alles, um diesen Schmerz zu vermeiden.
Natürlich hat jeder von uns schon mal Situationen erlebt, in der er versucht hat, sich bloß nichts anmerken zu lassen, in der er getan hat, als stände er völlig über den Dingen und hätte alles im Griff. Auch hinter solch einem Verhalten steckt die Angst vor Abwertung, Ablehnung und Zurückweisung durch andere.
Je häufiger und je früher Menschen erlebt haben, dass sie für ihre emotionale Offenheit „bestraft“ wurden, das heißt eine negative Reaktion ihrer Umwelt erfahren haben, umso weniger öffnen sie sich. Personen, die bereits im Kindesalter von ihren Eltern beziehungsweise elterlichen Bezugspersonen beigebracht bekommen haben, dass es falsch ist, bestimmte Gefühle zu zeigen (z.B. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“), tun sich auch als Erwachsene schwer, Gefühle zu zeigen. Das kann so weit gehen, dass diese Menschen so gut wie gar keine Gefühle mehr zeigen (insbesondere die vermeintlich „schwachen“ Gefühle), weil sie sich (unbewusst) fürchten, dass andere sie durchschauen und ihr „wahres Wesen“ entdecken könnten.
Es ist wie bei jedem Schmerz: „Das gebrannte Kind scheut das Feuer“. Je früher, je eindringlicher und je häufiger schmerzhafte Erfahrungen gemacht werden, umso stärker werden Abwehrmechanismen aufgebaut, damit sich diese Erfahrungen nicht wiederholen.
Wenn es Menschen aber überhaupt nicht oder nur sehr reduziert gelingt, ihre Gefühle zu zeigen, hat das erhebliche negative Folgen: Wenn wir unsere Gefühle verbergen, verleugnen, abwehren, wenn wir keine Möglichkeit oder keinen Mut haben, mit anderen über unsere Gefühle zu sprechen, dann beschneiden wir die Kommunikation in erheblichem Maße. Wir erschweren es anderen, uns wirklich zu verstehen, was im Beruflichen wie im Privaten zu Konflikten führt. Wir wirken auf die Menschen in unserer Umgebung unnahbar, gefühlskalt, verschlossen – manches Mal sogar arrogant – und wir vereinsamen. Wir können darüber krank werden.
Deshalb sollten wir unsere Gefühle in einer angemessenen Form zum Ausdruck bringen. Die Kunst dabei ist, authentisch zu sein und die Personen in unserer Umgebung mit unseren Gefühlen nicht völlig zu überschwemmen.
Ein angemessener, gesunder Umgang mit eigenen und fremden Gefühlen ist gemeint, wenn von „emotionaler Kompetenz“ oder „emotionaler Intelligenz“ die Rede ist. Was sich dahinter verbirgt, wollen wir in unserem kommenden Infobrief umreißen.